„Immer kürzere Arbeitszeit bei steigenden Lohnkosten, immer mehr Urlaub: Das ist keine Voraussetzung für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Wir haben in Deutschland im Durchschnitt sechs Wochen Urlaub und zwölf Feiertage pro Jahr. Bei der wöchentlichen Arbeitszeit liegen wir gleichzeitig mit durchschnittlich 37,5 Stunden niedriger als alle unsere Konkurrenten. Dennoch scheint es für viele nichts Wichtigeres zu geben, als über mehr Freizeit nachzudenken. Wir können die Zukunft nicht dadurch sichern, dass wir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisieren.“
Das könnte – wollte man polemisch sein – eine Antwort auf die aktuelle Forderung nach einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich sein. Aber es war ein provokatives Statement von Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung am 21. Oktober 1993.
Die Situation damals: eine Arbeitslosenquote von rund 9,8%. 3,4 Millionen Menschen hatten keine Arbeit – Tendenz massiv steigend. Und die – allerdings unter Produktivitätsaspekten auch damals zumindest fragwürdige – Idee hinter der Forderung der Gewerkschaften nach mehr Freizeit war, durch eine Verteilung der Arbeit auf mehr Schultern zumindest die hohe Arbeitslosigkeit zu senken.
Und heute?
Mittlerweile klagt die gesamte Wirtschaft nicht nur über einen Fachkräfte-, sondern auch über einen allgemeinen Mangel an Arbeitskräften, der unsere wirtschaftliche Entwicklung bereits bremst. Viele Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitskräften. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht, da gerade in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen werden. Dies belastet nicht nur unsere Sozialsysteme.
Aufgrund der demografischen Entwicklung wird auch eine Vielzahl von nicht ersetzbaren Arbeitsstunden fehlen. Oder glaubt wirklich jemand im Ernst, dass mit einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich eine Produktivitätssteigerung von 25% einhergeht? Wer diesen New-Work-Fantasien nachhängt, sollte sich die Studien, die dies angeblich beweisen, einmal genauer ansehen.
Aber vielleicht wird uns ja der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Zukunft vieles an Arbeit abnehmen, damit die Rechnung mit einem reduzierten Arbeitskräfteangebot in Zeiten des Arbeitskräftemangels aufgeht.
Wer weiß! Mal sehen, was unser internationaler Wettbewerb macht.
Und bis dahin legen wir in Deutschland unser Augenmerk weiter auf eine Deindustrialisierung zum Schutz des Klimas. Und auf die Legalisierung von Cannabis – damit wir der ganzen Entwicklung etwas entspannter entgegensehen… Aber wir wollten ja eigentlich nicht polemisch werden.
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