KVI-Mitgliederversammlung 2025: Kunststoffindustrie zwischen Krisenmodus und Reformhoffnung

31. Juli, 2025

Die Kunststoff verarbeitende Industrie in Bayern blickt auf ein weiteres Jahr voller Herausforderungen zurück. Auf der Mitgliederversammlung des KVI am 29. Juli 2025 in München machten sowohl der Vorsitzende als auch der Geschäftsführer deutlich: Die Branche steht aufgrund der schwierigen konjunkturellen Lage sowie struktureller Standortdefizite weiterhin vor großen Herausforderungen. Die Reformbemühungen der Politik machen Hoffnung – müssen aber weiter kraftvoll vorangetrieben und ausgeweitet werden.

 

Dauerkrise und wirtschaftliche Stagnation

Der Vorsitzende, Christoph Faßhauer, eröffnete die Versammlung mit einem Rückblick auf die anhaltenden Belastungen: Seit über fünf Jahren befinde sich Deutschland im Krisenmodus – von Pandemie über Energiekrise bis hin zu geopolitischen Spannungen und einem zunehmend protektionistischen Welthandel. Die wirtschaftliche Folge: Stagnation, Unsicherheit und ein Rückgang der industriellen Leistungsfähigkeit.

Auch die Kunststoffindustrie sei stark betroffen. 2024 verzeichnete die Branche bundesweit einen Umsatzrückgang von 4,5 %, in Bayern sogar 6,8 %. Produktion und Beschäftigung gingen ebenfalls zurück. Der Start ins Jahr 2025 brachte keine Trendwende – im Gegenteil: Die ersten Monate zeigten erneut rückläufige Zahlen. Die Lage bleibe daher fragil und angespannt, so Faßhauer. Für 2026 bestehe Hoffnung, dass die Maßnahmen der Regierung greifen und für eine wirtschaftliche Belebung sorgen.

Christoph Faßhauer

Politische Signale und erste Reformansätze

Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat sich durch umfangreiche Kreditermächtigungen fiskalischen Spielraum verschafft. Erste Maßnahmen, wie steuerliche Investitionsanreize, die geplante Senkung der Unternehmenssteuern ab 2028 sowie Entlastungen bei Stromkosten werden vom KVI begrüßt. Auch aus Brüssel kommen neue Töne – etwa in Form von Initiativen zur Wettbewerbsfähigkeit und besseren Rechtsetzung. Doch auf Arbeitsebene dominiert weiterhin eine überbordende Regulierung, die die Industrie belastet.

Der Verband fordert daher eine konsequente Verbesserung der Standortbedingungen, insbesondere durch wettbewerbsfähige Energiepreise, Bürokratieabbau und technologieoffene Rahmenbedingungen für Kreislaufwirtschaft und Innovation.

 

Strukturelle Herausforderungen am Standort Deutschland

Geschäftsführer Dr. Markus Born vertiefte die Analyse mit einem klaren Blick auf die strukturellen Probleme der Branche. Besonders alarmierend: Die geplante Stilllegung des Dow-Crackers in Böhlen, der zentrale Produktionsstandorte wie Leuna mit Ethylen versorgt. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – insbesondere hohe Erdgaspreise und CO₂-Kosten – machen den Betrieb solcher Anlagen zunehmend unrentabel. Ganze Wertschöpfungsketten sind dadurch bedroht. Auch andere Cracker-Standorte stehen unter Druck. Die Energiewende trifft die fossilen Wertschöpfungsketten hart – ohne tragfähige Alternativen für die Versorgung mit Grundstoffen. Der Verband warnt vor langfristigen Folgen für Beschäftigung, Wirtschaftskraft und soziale Sicherungssysteme.

Dr. Markus Born

Blick in den Maschinenraum: Verbandliche Arbeit

Im zweiten Teil seines Berichts gab Dr. Born Einblicke in die politische und operative Arbeit des Verbands. Im Bezug auf die Verbandstätigkeit verweist der Geschäftsführer auf die umfassenden Angebote des Juristenteams: Mit den zahlreichen begleiteten Gerichtsverfahren und Beratungen zu arbeits- und tarifrechtlichen Fragen leistet das Team wertvolle Unterstützung für die Mitgliedsunternehmen. Parallel wird an einer Modernisierung des Tarifvertragswerks gearbeitet.

Tarifrunde 2025: Moderater Abschluss mit Kompromiss

Ein weiteres zentrales Thema war die Tarifrunde 2025. Nach intensiven Verhandlungen wurde ein Abschluss mit moderaten Entgeltsteigerungen erzielt: 1,9 % ab Juni 2025, 2,1 % ab Juni 2026. Ein Gewerkschaftsbonus in Form eines zusätzlichen freien Tages wurde ebenfalls vereinbart – ein Zugeständnis, das innerhalb der Mitgliedschaft kontrovers diskutiert wurde.

 

Änderungen im Vorstand des KVI

Im Rahmen der ordentlichen Mitgliederversammlung des Verbands der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern e.V. wurde der Vorstand turnusgemäß neu gewählt.

Der bisherige Vorstandsvorsitzende, Christoph Faßhauer, wird nach 20 Jahren engagierter Tätigkeit im Verband der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern e.V. verabschiedet. Seit 2005 war er in verschiedenen Funktionen aktiv, zuletzt 16 Jahre als Vorstandsvorsitzender. In dieser Zeit prägte er maßgeblich die Tarifpolitik, führte zahlreiche Verhandlungen mit Fingerspitzengefühl und Fairness und war stets ein verlässlicher Ansprechpartner.

Sein Einsatz und seine Fähigkeit zum offenen Dialog wurden besonders hervorgehoben. Als Zeichen der Anerkennung erhielt er den „Bayerischen Löwen“ und wurde zum Ehrenmitglied des Verbands ernannt.

Von li. nach re.: Christoph Faßhauer, Dr. Markus Born

Nach dem Rücktritt von Christoph Faßhauer als Vorsitzender wurde Christian Wallstabe (Dichtungstechnik Wallstabe & Schneider GmbH & Co. KG, Niederwinkling) zum neuen Vorsitzenden gewählt.

Auch die stellvertretenden Vorsitzenden wurden neu gewählt bzw. bestätigt. Neben den bisherigen Amtsinhabern Dr. Andreas Gasse (allvac Folien GmbH) und Thomas Konetznick (Uvex Winter Holding GmbH & Co. KG) wurde Sebastian Rohde (Langmatz GmbH) neu in das Gremium aufgenommen.

Christian Wallstabe

Sebastian Rohde

 

Gastbeitrag: Cybersicherheit als Zukunftsthema

Zum Abschluss der Versammlung gab Dr. Oliver Hanka von PwC einen Einblick in die wachsende Bedeutung von Cybersicherheit in der Industrie. Besonders im Fokus standen sogenannte OT-Systeme – also Maschinen und Anlagen, die Produktionsprozesse steuern. Anders als bei klassischen IT-Systemen geht es hier nicht nur um Datenschutz, sondern vor allem um die sichere und störungsfreie Funktion der Anlagen.

Dr. Oliver Hanka

Die Zahl gezielter Angriffe auf Industrieanlagen nimmt weltweit zu. Auch Unternehmen der Kunststoffverarbeitung können betroffen sein – insbesondere, wenn sie Zulieferer für kritische Bereiche wie Energie, Gesundheit oder Verkehr sind. Neue gesetzliche Vorgaben wie die EU-Richtlinie NIS2 oder branchenspezifische Standards verlangen von Unternehmen mehr Schutzmaßnahmen und Nachweise zur IT- und Anlagensicherheit.

 

Fazit

Die Kunststoffindustrie steht vor tiefgreifenden Umbrüchen. Neben wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen rückt auch die digitale Sicherheit zunehmend in den Fokus. Der KVI sieht erste positive politische Signale, mahnt aber weitere Reformen an – zur Stärkung industrieller Leitbranchen, zur Entlastung bei Energie und Bürokratie sowie zur Sicherung des Standorts Deutschland im internationalen Wettbewerb.

 

Bildquelle: KVI

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